(K) Auf der Strecke: In den nächsten Tagen radeln wir zwar meist sehr küstennah, aber manchmal auch etwas weiter landein. Ich weiß nicht, ob der Begriff „abwechslungsreich“ so richtig passt, denn grundsätzlich wirkt die Landschaft meist trocken und steinig, mal mehr wüstenartig und karg, mal grüner mit Gemüseanbau und Bäumen. Was mir durch den Kopf geht: Wie viele Steine und Felsbrocken müssen ausgebuddelt, gesammelt und zu Mauern aufgeschichtet werden, damit ein ackerfähiges Feld entsteht? Und es muss im Grunde gleichzeitig passieren, denn je weniger Steine auf dem Boden liegen, desto schneller bläst der Wind die Erde weg.
Zwei kurze Begegnungen: Ein französisches Radlerpaar, die mit Surfbrettern auf dem Anhänger unterwegs sind – Anfang August in Nordfrankreich los, iberische Halbinsel an der Atlantikküste entlang, jetzt Marokko. Wir quatschen 5 min. am Straßenrand, dann geht es weiter.
Ein Campingplatz mit Gras! – Während wir unser Zelt aufbauen, kommt ein älterer etwas freakig wirkender Typ aus einem Camper und lädt uns zum Tee ein. Beim gemeinsamen Plausch stellt sich raus, er ist Musiker, stammt aus England, lebt in Holland, spielt Folk, Blues, eigene Songs. Ist mit Partnerin jetzt mit dem (älteren) Camper unterwegs – auch überwinternd- früher backpacking in Afrika, Asien, das Übliche. Er lädt uns abends noch zu einem Glas Rotwein ein, was wir als höfliche Leute nicht ausschlagen. Sein Name: Fred Twigg, er spielt in Holland, Belgien, Deutschland. Es ist ein sehr interessanter Abend.
Diese verwinkelten Altstädte werden Medina genannt. Azemour hat am Fluss Oum er-Riba so eine Altstadt, in der man sich verlaufen kann. Nach 300 Metern durch enge Gassen kommt man an ein unscheinbares Haus mit einer unscheinbaren Tür, hinter der sich ein Juwel findet. „Riad“ nennt man Gasthäuser mit einem Innenhof, um die sich meist in mehreren Etagen die Zimmer gruppieren. Dieses Hotel ist auch eine Galerie, alles höchst geschmackvoll eingerichtet. Und die Küche erst! Die Wände wirken wie lackiert: das ist die Tadelact-Technik, ein verdichteter Kalkputz, den angeblich die Berber erfunden haben zur Abdichtung von Zisternen. Durch Bearbeitung mit Olivenölseife wird er praktisch wasserunlöslich.
Südlich von Azemour, bei El-Jadida, gibt es einen chemische Industrie-Komplex mit direkter Verladung im Hafen über gigantische Förderbänder. Was da genau verarbeitet wird, haben wir nicht herausbekommen, aber dieser grünliche Haufen im Hintergrund ist wahrscheinlich Phosphat, eines der Hauptexportprodukte von Marokko.
Die letzte Bild zeigt eine Mega-Industrieanlage südlich von Safi, ebenfalls Phosphat-Industrie. Man beachte die dunstige Luft, die wir bei Ostwind richtig schön inhalieren durften: selten haben wir so einen Gestank erlebt. Hübsch sind auch die mickerigen Greenwashing-Bäumchen am linken Straßenrand.
In Safi hatten wir für wenige Euro ein „Modern Marrocane Appartement“ in einer irgendwie merkwürdigen Gegend mit Ruinen und Schafherden zwischen den Häusern. Das Haus selbst sah auch nicht wirklich schick aus, aber die Wohnung im zweiten Stock war dann schon ok, mit dem bekannten marokkanischen Charme.
Streckenweise bekommt die Gegend jetzt schon etwas Wüstenartiges. Nachdem der Wind den Sand fortgetragen hat, bleibt manchmal der nackte Kalkstein übrig. Die Gegend eignet sich nicht für Landwirtschaft; allenfalls Müll abladen könnte man. Oder? Richtig, Zementindustrie! Die finden wir denn auch, mitten im Nichts. (K) Erstaunlicherweise finden sich auch hier Äcker, wenn sie auch nicht so einfach zu erkennen sind 😉, es ist wohl gerade Bodenbearbeitungs- und Aussaatzeit. Kleine Häufchen von Kompost, Mist oder einfach Erde sind gleichmäßig verteilt und warten auf die Einarbeitung.
Von Safi bis Essaoira wäre es zu weit gewesen. Also planten wir einen Zwischenstopp ein. Campingplätze gibt es nicht. Karin suchte ein Riad irgendwo in der Pampa aus: „Golden Baibah“. Von der Hauptstraße geht es über eine 1-km-Buckelpiste direkt ins Paradies, wie eine Oase in der Wüste. Sehr freundlicher Empfang mit Pfefferminztee. Massage-Sauna-Pool-Fitnessgeräte, wenn gewünscht (wünschten wir aber alles nicht), aber dieser Garten! Und die Küche! Mit Bier und Rotwein zum T-Bone-Steak. Und ein netter Abend mit Freunden des Hauses.
In der Nähe gibt es ein Dorf. Am Strand liegen die fotogenen Fischerboote. Leider ist es bei unserer Strandwanderung schon etwas dämmerig, so dass die Farben nicht so kräftig sind.
Jetzt geht’s nach Essaoira, dem südlichsten Punkt der Reise.