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Radlertraumstraße Carretera Austral

Ehrlich gesagt, wusste ich bis zur konkreten Planung der Tour noch nicht, dass es sie gibt. Und dass wir sie zumindest teilweise fahren würden, war lange nicht klar. Nun sind wir drauf! Die Straße gibt es noch gar nicht so lange und hat einen eher düstere Geschichte, denn zuerst hieß sie Carretera Austral General Augusto Pinochet. Jeder Diktator will sich wohl ein Denkmal setzen. Für dieses Riesenprojekt gab es sicher auch militärische Gründe (Grenze zu Argentinien). Sie beginnt in Puerto Montt und endet in O´Higgins und ist die einzige Verbindung in Nord-Süd-Richtung. Ohne Fähren geht es allerdings nicht, da nicht überall eine Straße möglich ist. Ca. 1200 km lang ist sie auch jetzt erst größtenteils asphaltiert, der Rest Piste oder Schotter. Die Natur ist hier grandios – und auch gewaltig!
Wir haben auf der bisherigen Strecke schon einige Eindrücke davon bekommen.

 

Fast wie im Pamir begegnen uns hier täglich andere Radler und Radlerinnen. Begeistert von der rauhen Landschaft und den Lebensbedingungen sind sie alle. Und wie immer sehr unterschiedlich motiviert. Für spektakuläre Aussichten sind viele schon vorher zwischen Chile und Argentinien hin- und hergependelt – um möglichst viele Pässe und Seen abzuradeln. Die Qualität der Strecke ist nebensächlich bzw. je anspruchsvoller, desto besser. Wer uns hier begegnet, gehört meistens zu den “Harten”. Gerade eben ist ein französisches Paar mit zwei Kleinkindern in Anhängern auf dem Zeltplatz angekommen! Sie sind vor 4 Monaten in Peru gestartet.
Wir hingegen lieben Asphalt und keine 15% Steigung. Claro fahren wir auch Schotter, Piste und steile Rampen – aber meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Dazu bin ich viel zu schissig und meine Knie zu kaputt. Auch deshalb werden wir nur die erste Hälfte fahren und dann nach Argentinien wechseln. Dort wartet dann der Wind auf uns.

Beeindruckt haben uns bisher die zwei Orte Chaiten und Villa Santa Lucia.
Chaiten wurde 2008 von einem bislang inaktiven Vulkan teilweise zerstört, durch Ascheregen, Eruptionen und Lavaströme. Die Einwohner wurden evakuiert und der Ort sollte verlegt werden. Inzwischen wurde viel wiederaufgebaut, denn die Menschen wollten zurück. Wir sind durch einen gespenstischen Totwald gefahren, wo die heiße Aschewolke einfach alles verbrannt hat.

Villa Santa Lucia wurde vor vier Jahren von einer Schlammlawine plattgemacht. Es sei sehr schnell gegangen, sagte uns unser Host und es hätte 28 Tote gegeben. Die Straße ist auch jetzt noch nicht komplett wiederhergestellt, nur einige Häuser neugebaut und die gewaltigen Ausmaße der Zerstörung haben uns ziemlich beschäftigt. In diesem Ort haben wir übernachtet. Den in google maps gezeigten Campingplatz gibt´s nicht mehr, dafür einen anderen.
Sehr nett mit warmer Dusche, sauberen Toiletten und Sitzgelegenheiten. Leider ist der äußere Holzriegel zum Versperren der Toilettentür bei den Frauen so locker, dass er beim Schließen der Tür von alleine zurückfällt. So geschehen, als ich nachts zum Klo ging. Ich kam nicht mehr raus! Zuerst mit Rütteln, dann mit Treten (ich habe schon einige Kraft) nix tat sich. Es war kalt und irgendwie surreal. Also rief ich “Holla” und trat weiter mit Wucht auf die Tür ein, auch um Lärm zu machen. Mein Mann schnorchelte seelenruhig ca. 20 m entfernt vor sich hin. Nach einigen Minuten kam eine Zeltnachbarin, um mich zu befreien. Frühmorgens um sechs hörte ich die Klotür schnappen und kurz danach – Klopfen, Treten, Rufen – eine andere Eingesperrte. Voller Verständnis eilte ich, um sie zu befreien.

Was mich auch fasziniert, ist die Vielfalt an Pflanzen. Es wuchert hier unten ganz unglaublich. Riesenrhabarber, Nalca, wächst hier überall wo es feucht ist. Gigantische Blätter, stachelige Stängel, die man sogar essen kann (noch nicht ausprobiert). Riesige wilde Fuchsienbüsche, Buchsbäume, anderes Grünzeug, was auch bei uns die Wiesen und Felder bereichert, überrascht mich immer wieder. Na klar, Weidelandgräser und Getreide wurden eingeführt. Aber wie ich nun weiß, kommt die Fuchsie von hier! Also doch eine kleine Bildungsreise.

Wir haben einen kleinen Rundweg “Sendero” gemacht, um die Alerces, eine uralte Kiefernart, die die (modernen) Menschen wie die Reedwoods in den USA mit ihrer Maßlosigkeit fast ausgerottet haben, zu bewundern. Auf dem Parkplatz stand ein Rotelbus aus Deutschland!

Wasser, vor ein paar Wochen noch ein Objekt der Begierde, fließt hier überall und reichlich. Alle naselang rauscht ein Bach oder Wasserfall, schlängelt sich ein Fluss oder glitzert ein See in türkis, manchmal auch mit Fisch- und Muschelanlagen. Oben gletschert es schon ab und zu, obwohl die Berge nicht sehr hoch sind.

Tagsüber ist es angenehm warm, 20-25° C, doch sobald die Sonne weg ist, übrigens erst um kurz vor 10 Uhr, wird es empfindlich kalt. Morgens fahren wir bei 8° C los. In den nächsten Tagen wird es eine Schlechtwetterperiode geben, mit Temperatursturz. Einen Tag werden wir abwettern, aber irgendwann muss man ja weiter. Während ich hier schreibe, plant Fritz, wo es vielleicht Cabanas (Hütten) gibt, wo man statt zelten unterschlupfen kann. Irgendetwas werden wir finden.
Unser Sylvester war sehr entspannt, ohne Böllerei, mit lecker Spagetti, Salat und Sekt!

Und zum Schluss noch ein paar Viecher:

3 Kommentare

  1. Marie-Luise Quandt sagt

    Hey, Ihr Zwei,
    wir wünschen Euch, daß die “Schutzengel” ihren Job weiterhin gut machen, so, daß es trotz der Zwischenfälle am Ende wieder eine Traumreise ist. Bleibt so guter Dinge und vor allem gesund!!!!
    Eure Schilderungen und die Fotos sind soo anschaulich, da würde ich am liebsten fast auf jeden Bericht antworten.
    Liebe Grüße von
    Jochen, Ischen und ein paar anderen begeisterten Reisebegleitern

    • Karin sagt

      Hallo Ihr Zwei selber, vielen Dank für’s Lob. Außer diesem Unfall und dem Helm-Klau ist ja eigentlich alles gut gelaufen. Sind doch Glückskinder!
      Frohes neues Jahr und viele Grüße, Karin & Fritz

  2. Christa Prüser sagt

    Hallo Karin und Fritz!

    Wie spannend sind alle eure Berichte! Habt 1000 Dank!

    Ich wünsche euch ein ganz gutes Neues Jahr und kommt gesund zurück

    mit den herrlichen Bildern! Eure Christa Prüser

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