(K) Einige km südlich von Santa Fe, ca. 20 km von Granada entfernt, liegt auf einem Hügel mitten zwischen Olivenhainen ein Ort, den wir besuchen wollten, eine Thermalquelle mit mehreren natürlichen Becken, genannt Aguas calientes. Bis vor wenigen Jahren war es ein beliebter Anlaufpunkt für Alternativos und Hippies, sogar ein Musikfestival „Dragon Festival“ fand hier mit wohl mehreren Tausend Menschen statt,- bis es für alle zu viel wurde, der Natur, der Stadt, den Menschen. Dann wurde radikal ein Riegel vorgeschoben, das Gelände eingezäunt, Zelten verboten, Sicherheitsdienst. Inzwischen ist der Sicherheitsdienst weg, der Zaun an vielen Stellen beiseite geräumt und die Becken wieder zugänglich. Als wir dort waren, war es ruhig, ein paar Leute, die mit Campern ca. 500 m weiter unten standen, kamen hoch zum Baden, abends ein wenig Chillen im ca. 40° C warmen Wasser. Wir stellten unser Zelt etwas abseits und wurden nicht weiter beachtet. Ein schöner Ort, der einzige Nachteil sind die fehlenden Sanitärmöglichkeiten, was man auch in der weiteren Landschaft erkennen kann.
Nach einem entspannten Nachmittag und Abend radelten wir am nächsten Morgen, leicht nach Schwefel duftend weiter Richtung Cordoba.
(F) Jeder Quadratmeter wird landschaftlich genutzt; es gibt kaum Brachland. Vorherrschend sind Olivenplantagen. Wiederholt haben wir aber auch Spargelfelder gesehen! Die Pflanzen sind kleiner als wir sie kennen, vielleicht ist es grüner Spargel – auf jeden Fall jetzt leuchtend gelb! Und gelegentlich sehen wir Solarfarmen, dann aber im großen Stil. Windkraft ist übrigens selten genutzt, die Windräder stehen mehr auf den Hügeln nahe der Küste. Wild Zelten ist nicht einfach; der Boden ist schwer und lehmig und nach den Regenfällen aufgeweicht oder sehr steinig. Die Olivenbäume sind streng in Reih und Glied gepflanzt, so dass man sich kaum verstecken kann. „Zur Not“ würden wir irgendwo ein Plätzchen finden, aber die Not ist nicht da und wir finden immer etwas anderes, Campingplatz oder einfaches Hotel.
(F) Die Gegend um Granada und Cordoba war Jahrtausenden heiß umkämpft zwischen verschiedenen Machthabern: Phönizier – Römer – Christen – Mauren und schließlich wieder Christen. Auch im spanischen Bürgerkrieg hat die Region eine bedeutende Rolle gespielt. Es gibt kaum einen Ort ohne eine Burg auf dem nächsten Berg und viele Hügel sind gekrönt von Beobachtungstürmen.
(F) Cordoba liegt deutlich niedriger als Granada, so dass es überwiegend doch ein recht angenehmes Abwärtsfahren war, noch dazu mit einem gnädigen Rückenwind. Die Altstadt ist geprägt von engen Gassen, wo auch unser Hostel lag. Es gibt viel intakte Bausubstanz mit in Teilen erhaltener Stadtmauer und Gebäuden meist aus der maurischen Zeit, allen voran die Mesquita (s.u.). Am Sonntag war ein öffentliches Laufereignis. Wir wissen nicht, über welche Distanz das ging, aber das T-Shirt, das die meisten trugen, hat uns gut gefallen: Bunt und mit dem Spruch „das Gehirn ist nicht grau“. Es gibt keinen Mangel an Kneipen, Tapas-Bars, Restaurants. Wir streunen durch die Stadt und sind immer wieder von den vielen kleinen Plätzen mit vielen kleinen Bars überrascht. Und hier beginnt die Küche tatsächlich frühestens um 20.00 Uhr, während sie in den touristischen Badeorten um 20°° schließt.
Es scheint in der Altstadt Cordobar ein Problem mit überbordender Katzenpopulation gegeben zu haben. Ein Projekt habe das “in ethischer Weise” gelöst, vermutlich mit Anfüttern, Einfangen und Kastrieren. Die Katzenkisten (s.u.) sind auf Dauer angelegt und die Katzen auf den Straßen wirken wohlgenährt und gelassen.
(F) Kaum zu übertreffen in ihrer Erhabenheit ist die Mesquita. Im 6. Jh. als christliche Kirche erbaut wurde sie in der muslimischen Zeit zwischen 786 und 994 als Moschee umgebaut und mehrfach erweitert. Nach Ende des Kalifats Cordoba im 11. Jhdt war sie dann wieder ein katholisches Gotteshaus. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde in die Mitte dieser markanten maurischen rot-weißen Bogengänge eine riesige Kathedrale gebaut, überraschenderweise unter weitgehender Erhaltung der maurischen Bausubstanz. Wir haben nur selten etwas so Eindrucksvolles gesehen.
(F) Wenn man Oliven (die hier ja ein Grundnahrungsmittel sind) anbaut, muss man sie auch ernten. Wir hatten vielfach Gelegenheit, die verschiedenen Methoden zu beobachten. Das geht vom Pflücken mit der Hand über Schlagen mit einem Stock, einfachen Handrüttlern, mit denen die einzelnen Äste gerüttelt werden bis hin zu Rüttlern als Traktor-Vorbau, mit denen der ganze Baum intensiv mit hoher Frequenz geschüttelt wird. Man wundert sich, dass der dabei nicht entwurzelt wird. Drunter liegen schwarze Netze, in die die Oliven fallen. Die werden dann von Hand oder maschinell eingesammelt und gehen in großen Anhängern in die Ölmühlen.
(K) In den letzten Tagen sahen wir immer wieder kleine weiße Fussel am Straßenrand, die uns -als Weitgereiste- an Baumwolle erinnerten. Erstmal irritiert, dann kurz im Netz nachgelesen -ja- in Andalusien wird in dieser Gegend Baumwolle angebaut! Und dann haben wir auch tatsächlich ein paar Felder gesehen, abgeerntet. Das Glück war uns hold und wir konnten eine Erntemaschine in Arbeit sehen! Wieder was gelernt.
Flora und Fauna
(K) Bei Weißstörchen gibt es West- und Ostzieher, wie ich gelesen habe. Die Westzieher überwintern teilweise in Spanien, und zumindest durch einen Hotspot sind wir gefahren. In einem Ort kurz vor Cordoba war jeder Strommast von einem Storchennest belegt und es saßen auch Störche drauf! Kurz danach war ein großer Schwarm Störche am Himmel, die sich augenscheinlich in der Thermik hochschraubten, also wohl weiterwollten – vermutlich Westafrika.
Die eine Pflanze mit den länglichen Knubbeln ist wohl eine Wildgurke, die Minigurken sind mit Wasser gefüllt und spritzen richtig beim Öffnen. Die krautige Lilablühende sehen wir auch häufig am Straßenrand, aber ich habe nichts dazu gefunden. Wenn jemand was weiß, bitte gerne melden.
(F) „Fritz, es ist immer WAS!“ hatte meine Oma immer gesagt. Trifft auch auf mein Rad zu. Diesmal ist es (wie früher schon mal) die vordere Scheibenbremse: der eine Bremskolben geht nicht zurück. Das führt zu ständigem Schleifen der Bremse mit Energieverlust und fiesen Geräuschen. Ein Versuch, das wieder gängig zu kriegen, misslang. Also muss eine neue her. Dafür hatten wir einen Radladen mit guten Kritiken ausersehen, der halbwegs auf unserer Route lag. Nach einer höchst anstrengenden Bergankunft kurz vor 15°° war der Laden zu, obwohl er laut Internet bis 21°° offen sein sollte und laut Schild an der Tür immerhin bis 15°°. Auf nichts ist Verlass! – Abends sind wir zufällig auf den letzten Metern zu unserem Camperplatz an einem Laden vorbeigefahren, der offen war und das Bremssystem da hatte. Umbau in 20 Minuten, und das Rad fühlt sich ganz anders an. Mal sehen, was als Nächstes passiert. (K) Ich hoffe, jetzt ist erstmal Ruhe!
In diesem Laden stand eine VeloSolex! So eine hatte meine Mutter Anfang der 60er Jahre. Mit der hat sie als Hebamme Hausbesuche gefahren.
(K) Nun sind wir auf dem Weg nach Malaga, Marbella und weiter. Das Wetter lässt uns zwei Ruhetage außerhalb des Unwettergebietes einlegen. Hier regnet es nicht ganz so stark und wir sind mal wieder in einem Apartment untergekommen. Einige Leser machen sich Sorgen wegen der Wetterereignisse in Spanien. Wir haben das im Blick, wir sind nämlich risikoscheu. Wir checken drei WetterApps und kriegen das rechtzeitig mit.
Bei der Planung der nächsten Etappen wird uns klar, dass diese Landschaft voller Nationalparks mit grandiosen Wandergebieten, geologischen und archäologischen Leckerbissen gespickt ist. Aber ich bin weder trittfest noch schwindelfrei, wir haben keine Wanderschuhe dabei und unsere Leistungsfähigkeit bzgl. Höhenmetern auf Schotterpisten lässt die spontane Lust auf andere Abenteuer schnell schwinden. Wir sehen, was sich machen lässt und freuen uns einfach durch diese grandiose Landschaft zu radeln.
Ich steuere gerne etwas Sozialkunde bei:
Das Dragon Festival in Santa Fe war eine apokalyptische Erfahrung, die ich gleich zweimal machen durfte – 2011 und 2012, soweit ich mich erinnere.
Dieses “Festival” war eine unorganisierte, jährliche Zusammenkunft aus Soundsystem-Trucks, die im laufe eines ganzen Monats irgendwann auftauchten, ihre Drogen verkauften und wieder abfuhren. Es gab weder Toiletten, noch sonst irgendwelche Annehmlichkeiten der Moderne, keine Essensstände, kein Trinkwasser. Die uralten Olivenbäume der ehemaligen Plantage wurden über die Jahre komplett zu Feuerholz verarbeitet. Die Musik bestand aus maschinellen, zerstörenden Genres wie HardTech, HiTech, Gabber, FrenchCore und anderen nervenbelastenden Klangmustern. Natürlich gab es keine Tickets – eine klassische Umsonst-Party der FreeTech-Szene.
In den heißen Quellen saßen feiste Locals und ergötzten sich am Anblick nackter Drogenkonsumenten in unaussprechlichen Zuständen. Ansonsten gab es teilweise mehr Hunde als Menschen. Diese hatten natürlich schnell Rudel gebildet und eroberten das staubige Brachland. Charaktere und Landschaft schienen dem letzten Mad Max Film entrissen worden zu sein.
Eines Tages tauchte ein Mann mit einem selbstgebauten Essensstand auf. Er hatte den Plan, den armen Junkies etwas Nahrung zwischen ihre aufgeplatzten Lippen zu schieben. Leider wurden sämtliche Lebensmittel und Konserven in der ersten Nacht geklaut. Daraufhin beschränkte er sich darauf, die nächsten Tage der einzige Anlaufpunkt für erträgliche Musik zu sein, und ich gab mein Bestes, ihn dabei zu unterstützen.
Schließlich kam es natürlich oft zu Unfällen und anderen Katastrophen. Ein Wohnmobil brannte eines Nachts nieder. Die Besitzerin konnte entkommen, doch ihr Hund fiel den Flammen zum Opfer.
Andere Hunde hatten mehr Glück: Ich sah eine Gruppe Menschen wild brüllend einen Köter jagen, der ein großes, verdächtiges Paket mit weißem Pulver im Maul hatte und um sein liebes Leben rannte.
Kauf dir einen Drogenhund, sagen die Hippies. Der übernimmt für dich die Beschaffungskriminalität.
Ich setze mich generell für den Erhalt von elektronischer Musikkultur ein – doch in diesem Fall bin ich froh, dass die Behörden scheinbar durchgreifen konnten.
Cheers!
Hi Julius, vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Das liest sich ja wirklich gar gruselig.