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Szenenwechsel

Nach der einsamen Wüste und der quirligen aufrührerischen Riesenstadt Santiago sind wir nun quasi in der Heimat unterwegs: Die Landschaft, die Vegetation und das gemäßigte Klima erinnert doch sehr an Deutschland (mal abgesehen von einigen schneebedeckten Vulkanen im Hintergrund), weswegen sich hier auch in mehreren Auswanderungswellen viele Deutsche niedergelassen haben. Im Großraum Santiago gab es noch einzelne sehr ärmliche, Slum-artige, Dörfer, dann Weinberge, viele Flüsse, Rinder-Weiden, Pferde (auch mal ein Rodeo), Weizen- und Haferfelder.

Diese Gegend ist reich und üppig. Die Menschen sind freundlich; wir erfahren viel Zuwendung durch grüßende Autofahrer und winkende Passanten. Rodrigo zum Beispiel hat uns im Supermarkt geradezu nötigend zum Mittagessen eingeladen. Ein Eis-Lieferant hat seinen Lieferwagen extra angehalten, um uns zwei Magnum zu schenken.

Wir sind in den letzten 9 Tagen 913 km geradelt! Meistens bei mehr oder weniger starkem Gegenwind. Da wir fast ausschließlich Panamericana (Autobahn) gefahren sind, war die Oberfläche meistens gut. Der Seitenstreifen ist breit und obwohl als Autobahn ausgeschildert, ist das Radfahren auf 90% der Strecke erlaubt. Auch die restlichen 10% interessieren niemanden. Es gibt angenehmere Etappen, aber auch definitiv schlechtere. Das Nervigste ist der Verkehrslärm. Hilfreich an der Autobahn: Ab und zu gibt es Tankstellen mit allem Komfort – Toiletten, Duschen, Cafeteria/Restaurant – und Rasenflächen fürs Zelt. Also praktisch und sicher – nur leider auch nachts eben laut. Es war für uns immer die letzte Option und wir haben sie nur selten genutzt.

Nach der letzten Planungsrunde haben wir festgestellt, dass wir es doch bis runter nach Ushuaia schaffen können – 3000 km und ca. 17.000 Hm in knapp 8 Wochen. Im Augenblick sind wir also wieder zuversichtlich. Auch deshalb haben wir die letzten Tage Gas gegeben. Leider können wir all die fantastischen Nationalparks rechts und links der Straße nicht besuchen. Die Wege dorthin sind immer Stichwege und diese Umwege können/wollen wir uns doch nicht leisten. Außerdem werden wir auf der Carretera Austral, Südpatagonien und Feuerland durch ziemlich viel wilde und einsame Landschaften kommen – das muss reichen.

Wir hatten das ja schon beschrieben: mit der Weihnachtsstimmung ist das nicht so einfach. Man läuft im T-Shirt über den Weihnachtsmarkt, auf dem Badehosen und Sonnenbrillen verkauft werden. Kein Glühwein, keine Bratwurst! Für die Feiertage haben wir uns Valdivia ausgesucht, einen küstennahe Stadt, die besonders durch deutsche Einwanderer im 19. Jh. geprägt wurde. Nicht, dass hier deutsch gesprochen wird, aber viele Namen kommen uns doch bekannt vor, zum Beispiel die renommierte Brauerei Kunstmann, die wir gestern besichtigt haben (für Fritz eine Fortbildungsveranstaltung, vielleicht kann man das steuerlich geltend machen?). Auf dem interessanten Fischmarkt wird gigantischer Lachs angeboten.

Auch hier hat es offenbar einigen Aufruhr gegeben; viele Schaufenster sind mit dicken Spanplatten oder Stahlblech verrammelt. Auch gestern gab es wieder eine Demo mit Wasserwerfer und Tränengas – ein paar Straßen von hier entfernt. Wir haben nichts davon mitbekommen.

Unser Hostel hier “Aires Buenos” gehört absolut zu den nettesten, die wir kennen. Heute, Heiligabend, werden etwa zehn Gäste da sein (davon auffällig viele deutschsprachige). Heute Abend gibt es ein Festessen: die Herbergsmutter, die Amerikanerin ist, lädt zum gefüllten Truthahn ein! Unser Beitrag wird als Dessert Palatschinken sein, so eine Österreich-ungarische Crêpes-Variante, mit Nutella .
Morgen geht´s dann weiter Richtung Puerto Montt, wo die Carretera austral beginnt. Die erste größere Häuseransammlung danach habe ich in ca. 350 km gefunden! Also haben wir gestern unsere Lebensmittelvorräte aufgestockt. Jetzt schleppen wir zwar ca. 5 kg mehr, haben aber keinen Hungertod zu fürchten. Wer mich kennt, weiß, dass ich lieber etwas mehr als weniger dabei habe! Reis, Nudeln, Couscous, Linsen, Möhren, Ingwer, Knoblauch, Haferflocken, Nussmischung, Brühwürfel, 4 Bananen, zwei Äpfel, Kaffee, Trockenmilch, und jetzt sogar eine Salami, Honig und Datteln! Wir werden leben wie die Könige! (Eben höre ich von Fritz, dass es doch unterwegs Läden gäbe – mal sehen.)
Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten drei Wochen (1.200 km) nur sehr selten online sein werden. Also werdet nicht ungeduldig und lasst Euren Sorgenbär im Schrank.

Eigentlich wollten wir Euch “nur” ein frohes und friedliches Fest sowie einen guten Rutsch wünschen. Das tun wir auch.
Aber uns beschäftigt neben der aktuellen Politik auch hier das Thema Verkehr und Klima so intensiv und direkt, dass wir doch noch etwas loswerden müssen:
Wir wünschen uns und Euch für nächstes Jahr “Mehr Platz fürs Rad”! Nicht nur in Wolfsburg aber auch dort!!
Und deshalb brauchen wir eine starke Fahrradlobby, die nicht nur auf Bundesebene, sondern auch vor Ort ernst genommen wird!
Wenn ich heute die Botschaft unseres OB´s in der Zeitung lese und im Zusammenhang mit dem großen Zukunftsthema “Mobilität” zwar die Begriffe “ÖPNV” und “Carsharing”, aber keine drei Buchstaben “Rad” finde, dann weiß ich, dass wir im ADFC noch viel zu tun haben.
Diese Grafity haben wir in Valdivia gefunden:

Frohe Weihnacht!

19 Kommentare

  1. Werner Keil sagt

    Hallo Karin, Hallo Fritz,
    wir freuen uns jedesmal über Eure Reiseberichte, die wir immer wieder mit großer
    Spannung lesen. Wir lesen sie ja nicht nur, wir sind auch immer ein wenig mit dabei.
    Eure Reiseerfahrungen in den einzelnen Ländern mit den Menschen, mit den
    Landschaften, dem Klima und den Umgang mit der Natur ist auch für uns eine
    “Horizonterweiterung”, auch manchmal ein Eingeständnis, seine Meinung über
    das Leben in fernen Ländern zu korrigieren.
    Wir wünschen Euch auf Eurer Weiterfahrt alles Gute, Gesundheit und eine glückliche
    Heimkehr.
    Alles Gute im Jahr 2020!

    Geli und Werner

  2. Marianne Marschhause sagt

    Hallo ihr Lieben,
    wir freuen uns, dass ihr immer noch genug Puste habt.
    Für den bevorstehenden Jahreswechsel und das kommende Jahr wünschen wir euch alles Gute und hoffen, dass ihr euer Ziel wohlbehalten erreicht.
    Jahreswechsel haben wir in Quito mit viel Lärm und viel Geböller erlebt. Gefühlt war ganz Ecuador auf der Avenida Amazonas unterwegs. Garküchen, Getränkehändler und Hersteller von Böllern machten ihre Geschäfte und verschiedene Bands bereicherten den Lärmpegel.
    Um Mitternacht wurden selbstgemachte Puppen (“El Viejo”)verbrannt und mit ihnen das Schlechte des vergangenen Jahres, manche hatten Masken von Politikern oder anderen schlechten Leuten. Das Ganze ist jetzt (zumindest auf den Fahrbahnen) nicht mehr erlaubt, da so mancher Straßenbelag auch drauf gegangen ist.
    In Peru sind wir in Lima extra an die Küste gefahren, um in erster Reihe den Jahreswechsel zu erleben. Er war dann ganz ruhig, kein Feuerwerk oder andere selbstgemachte Knaller. Dafür waren die Restaurants sehr gefragt, um mit Familie und Freunden das Neue Jahr mit gutem Essen und Getränken zu begrüßen.
    Habt ihr in Chile auch viele Indigenas getroffen?
    Wir freuen uns schon auf eure Berichte.
    Ein gutes 2020 ohne Pannen und viel Gesundheit
    Marianne und Helmut

    • Karin sagt

      Hallo Marianne und Helmut,
      hier in La Junta (was ein kleines Nest ist) war’s total ruhig. Nachbarn habe ein Lamm gegrillt (wir haben auch was abbekommen), die Franzosen im Nebenzelt sind um 22°° ins Bett und es gab nicht einen Böller, keine Rakete, nix. Das ruhigste Sylvester ever.
      Gutes Neues auch!
      Karin und Fritz

  3. Michaelis Ebert sagt

    Ihr Lieben, ich wünsche Euch ein schönes Weihnachtsfest und nur noch problemlose aber unvergleichlich schöne Touren. Kommt heil und gesund zurück ! Liebe Grüße! Michael

    • Karin sagt

      Hallo Michael,
      Dir noch mal vielen Dank für Deine Päckchen! Ein gutes Neues,
      Karin und Fritz

  4. Peter Smolka sagt

    Mensch … da sitze ich gerade im Herzen von Thailand und durchstöbere die WAZ online und entdecke einen Bericht über die Weltradler ….
    Alles Gute … noch ein frohes Fest und eine sichere Weiterfahrt
    P.S … unser Bürgermeister ist mit Fusion voll ausgelastet, jedenfalls sollte er das sein … :)
    Peter Smolka

    • Karin sagt

      Wieder mal in Thailand?! Dir auch ein gutes neues Jahr mit entspannten Zeiten! Viele Grüße Karin

  5. Liebe Karin, lieber Fritz!

    Wir – von den Tauchfreunden Lahn-Dill – wünschen
    Euch schöne Weihnachtsfeiertage (trotz weihnachts-untypischer Umgebung !).
    Des Weiteren möchten wir nochmals unsere Bewunderung für Eure Leistung aussprechen und Euch größten Respekt zollen, dass Ihr zum wiederholten Male eine so großartige Fahrradreise erfolgreich durchführt!
    Außerdem wünschen wir Euch weiterhin eine sichere Weiterfahrt ohne Zwischenfälle, dass Ihr Euer Ziel erreicht!

    Wir freuen uns auf die nächsten spannenden Berichte,
    Eure Tauchfreunde Lahn- Dill

    • Karin sagt

      Hallo Ihr Beiden,
      wir freuen uns schon auf Vortrag bei Euch im Herbst!
      Gutes neues Jahr! Karin und Fritz

  6. Liebe Karin Lieber Fritz
    Merry XMas! Ich erinnere mich gerne an Weihnachten 2015 mit euch in Indien. Damals gab es Chicken in einer schummrigen Bar – war LECKER! Schön feiert ihr Heiligabend in netter Gesellschaft! Herzliche Weihnachtsgrüsse
    Patrik und Passpartu

    • Karin sagt

      Hallo Patroik,
      wir erinnern uns gut, die Bude war völlig verraucht! Aber das Huhn war lecker.
      Gutes neues Jahr! Karin und Fritz

  7. Michael Schröder-Schulze sagt

    Hallo ihr Beiden,
    Frohe Weihnachten!
    Macht euch keine Sorgen wegen Einkaufen, es gibt mehr Läden als man denkt, halt nicht immer was man sich gerade wünscht. Da ist improvisieren angesagt. Ab Coyhaique ist die Auswahl dann noch mal eingeschränkt. Peanutbutter ist z.B. ein rares Gut, Kaffee habe ich nach Coyhaique erst wieder in Higgins gekriegt, aber teuer. Ingwer hat jeder 2. Dorfladen….

    • Karin sagt

      Hi, dir ein frohes Neues inzwischen wohl in Argentinien! Deine Infos waren sehr hilfreich. Allerdings werden wir in Chile Chico das Land verlassen. Nur dirt und am Ende Schieben ist nicht Unser´s. Unsere größte Bewunderung für Dich! Infos über die Ruta 40 gerne! LG Karin und Fritz

  8. Gisela jüttner sagt

    Liebe Karin und lieber Fritz ich wünsche euch in der Ferne einen guten Start in das neue Jahrzehnt ! 2020 , wie das klingt…… wo sind die letzten 10 Jahre geblieben ? Ihr habt auf jeden Fall in dieser Zeit viel erlebt!!!! Weiterhin gute Reise, Glück und Kraft, vor allem Freude und Gesundheit!! Liebe Grüße eure Gisela mit klein Romy, die, die mich auf Trapp hält auf einfache Art und Weise

    • Karin sagt

      Liebe Gisela, na, du hast die letzten 10 Jahre wohl auch viel erlebt, oder? Wir freuen uns auf ein Wiedersehen und wünschen Dir Gelassenheit und Zuversicht, jede Menge Gesundheits- und Energiekörnchen sowie eine Romy, die dich weiterhin auf Trapp hält. Ganz liebe Grüße Karin und Fritz

  9. Astrid Krause sagt

    Frohe Weihnacht von uns, nach Besuch der Christuskirche mit Bläserchor und anschließendem Kartoffelsalat und Würstchen essen,
    ,Ihre Astrid und Anke Krause
    Friedvolle und sichere Weiterreise

    • Karin sagt

      Hallo Christian,
      mit dem Wind wird’s im argentinischen Patagonien erst richtig losgehen!
      Beste Grüße und gutes neues Jahr, Karin und Fritz

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