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Die Nacht auf dem kahlen Berge

Das war wohl die höchste Übernachtung die wir je hatten: 4428 m. Und da oben gibt es ein paar Seen! Allerdings ist das Ufer so morastig, dass an Baden oder waschen nicht zu denken war. Übrigens wäre es wohl auch etwas frisch. Sobald die Sonne sich neigt, kommt zu dem Wind empfindliche Kälte. Nachts waren es draußen -6°, im Zelt immerhin +7°, also 13° Differenz in unserem neuen Vier-Jahreszeiten-Zelt.

Um Puquio (noch auf 3200 m), wo wir einen Tag pausiert haben, ist die Landschaft ausgesprochen lieblich, Weidevieh, satte grüne Wiesen, viel Wasser. Dann schraubt sich die Straße immer weiter nach oben, die Vegetation wird immer karger und man erreicht eine weitere Hochebene, um nach einigen Kilometern zur nächsten Ebene aufzusteigen. Bei 4000 m ist die Baumgrenze, danach Pampasgras, Moose, Flechten.

Tiere? Reichlich! Herdenweise Alpacas, seltener Lamas und Mengen der nicht domestizierbaren Vicuñas. Die werden übrigens bejagt und die Felle, die offenbar nicht zu vermarkten sind, findet man in Haufen neben der Straße. Dazu Vögel, viele Wasservögel in diesen Seen, zum Beispiel Flamingos! Auf über 4000 m!! Und immer mal wieder ein Kondor. In den Löchern in der Böschung wohnen höhlenbrütende Vögel. Chinchillas wuseln herum. Wenn wir nicht in diesem Reservat gewesen wären und gelernt hätten, hätten wir die für Kaninchen gehalten und uns über den langen Schwanz gewundert.

Je höher man kommt, natürlich, desto einsamer wird es. Ab und zu mal ein Hof oder ein sehr kleines Dorf, gelegentlich sogar mit einer Hospedaje (=Herberge), sehr basic. Gelegentlich ein Hirte, der nach seinen Alpacas sieht. Auffällig sind die vielen kreisförmigen oder eckigen steinummauerten Pferche, die teils genutzt sind, teils aber so weit ab jeder Behausung sind, dass man denkt, die könnten noch aus Inka-Zeiten stammen. – Wir schlürfen immer fleißig unseren Coca-Tee.

Nach dem mit 4542 m erst mal höchsten Pass folgt eine rasante Abfahrt von  ungefähr 1600 m an einem Fluss entlang (der übrigens schließlich in den Amazonas mündet)  in ein sattes Gewitter hinein. Überhaupt baut sich hier nachmittags gerne Wind und Gewitter auf, wohl als Vorbote der beginnenden Regenzeit. Wegen der nächtlichen Kälte schneit oder graupelt es auch mal ein wenig. Da haben wir uns wohl etwas verkalkuliert. Mal sehen, was das für uns bedeutet. – Unten wieder das blühende Leben, Kakteen, Bananen, Felder, grüne Wiesen, Rinder statt Alpacas.

Hier wird einiges an Bergbau betrieben meistens wohl auf privater Ebene. Der Wirt eines Guesthouse hatte ein blaues Auge, nein, nicht von einer Prügelei, sondern im Stollen eines Bergwerkes ist ihm bei der Goldsuche ein Stein aufs Auge geknallt. Die Fotos zeigen allerdings keine Goldsuche sondern Kalkabbau und  –brand. Weil Sonntag ist, wird nicht gearbeitet.

Was dies zu bedeuten hat ist uns nicht klar geworden. Wir sahen Gräber unterhalb einer Klippe und den Text auf dem Schild: „Gesegnete Seelen sollen in Frieden ruhen.“ Ob das Wort „Sucitada“ Suizid bedeuten soll? Als Übersetzung finde ich einerseits ‚schmutzig‘ aber auch ‚geworfen‘. Das Datum ist in Peru mit Massakern verbunden.

Des Abends campen wir auf einem wunderbaren Platz ‚Quinta la Huerta‘. Die 69-jährige Dame, die mit ihrem 82-jährigen Mann acht Kinder hat und ungezählte Enkel, nennt Karin Mami und mich Papi, nachdem sie sich versichert hat, dass wir wenigstens zwei Kinder haben.

Heute wird hier der Dios de la muerte begangen, der Tag der Toten, und der Friedhof liegt direkt gegenüber. Es ist heitere Stimmung, frische (echte!) Blumen werden gebracht, Fotos werden gemacht, musiziert, Bierflaschen herumgereicht. Eine andere Art der Würdigung der Toten, als wir das so gewohnt sind.

Nächste Etappe: von Abancay nach Cusco.

4 Kommentare

  1. Inge Heitland sagt

    liebe Karin, lieber Fritz,
    vielen Dank für eure atemberaubenden Berichte! Ich hoffe, dass ihr euren Unfall inzwischen gut überstanden habt und euch weiterhin an der beeindruckenden Landschaft erfreuen könnt. Vor allem wünsche ich euch friedliche Länder…
    alles Gute und bleibt gesund, Inge

  2. Marianne Pfister sagt

    Liebe Karin,lieber Fritz,
    herzlichen Dank für die tollen Berichte,es freut uns riesig auf diese Weise mitreisen zu dürfen.Ihr seid so fleissige Schreiber,das macht jeden Tag grossen Spass wenn wieder ein neuer Bericht online ist,ganz lieben Dank dafür.Wir staunen und erinnern uns ganz oft über bekannte Orte,Gepflogenheiten und gniessen es diesmal auf dem gemütlichen Sofa in die lateinamerikanische Welt einzutauchen.Wir wünschen euch weiterhin viele Schutzengel und genussvolles Radeln.Wir hoffen fest,dass ihr uns dann mal in det Schweiz besuchen kommt….herzliche Grüsse und alles Liebe und Gute,d Velöler(leider nicht mehr ganz so sportlich unterwegs,hö,hö)Marianne und Tom

    • Karin sagt

      Liebe Marianne, lieber Tom, wie schön, dass Ihr uns nicht vergessen habt! Der Besuch bei Euch ist fest geplant, nur noch nicht terminiert. Gerade hier oben denken wir öfter an unsere gemeinsamen Pamirerlebnisse. Passt auf Euch auf! LG Karin und Fritz

  3. Das ist ja der Hammer, was ihr da erlebt! Übernachtung in fast 4.500m Höhe! Habt ihr echt schlafen können in der Luft dort oben??
    p.s.: jetzt weiß ich, was mit Gesellschaftsschichten wirklich gemeint ist: die Talschicht, die mittlere Bergschicht und die Schicht des kargen Hochgebirges :-).
    Seht zu, dass ihr gesund bleibt!

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