Asien, Begegnungen, Kasachstan, Länder, Tagebuch, Touren
Kommentare 2

„Was magst Du lieber – Kinder oder Hunde?“

Diese Frage stellte mir eines Tages Fredrika, die junge Schwedin, mit der wir über 3 Wochen durch den Pamir radelten.
Meine spontane Antwort: „ Ich glaube Hunde – auf die darf ich mit Steinen werfen!“
Bevor ich den Kinderschutzbund und die Tierfreunde auf dem Hals habe, möchte ich ein paar Anekdötchen loswerden.

Kinder:
Es gibt sehr viele freilaufende Kinder in den Dörfern zwischen der Türkei und Kasachstan. Sehen sie dich kommen, beginnen sie meistens gleichzeitig zu schreien und zu rennen – Richtung Straße, um dir den Weg abzuschneiden. Im günstigsten Fall bleiben sie am Straßenrand stehen und winken Dir zu, manchmal strecken sie die Hand aus zum Abklatschen – Cave! Es könnte sein, dass sie sie blitzschnell versuchen festzuhalten – das kann dir entweder den halben Arm ausreißen oder dich zu Fall bringen, weil du den Lenker verreißt. Ist mir einmal passiert, seitdem klatsche ich nur noch selten und wenn, dann nur mit den Fingerspitzen ab. Bei Mädchen gibt es dieses Phänomen üblicherweise weniger häufig. Manchmal stehen ganze Reihen von Jungs am Straßenrand- oder auch mitten auf der Straße, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen.
Einmal setzte sich ein Junge mitten auf die Straße, mit einem Gummiring (ca. 20 cm Durchmesser) in der Hand. Als ich auf seiner Höhe war warf er ihn plötzlich zwischen meine Räder. Er hat sie nicht erwischt, sonst hätte es mich böse gebeutelt.
Kinderstraßensperren. Erlebt in Tajikistan in einem kleinen Dorf. Ca. sieben Jungs zwischen 8 und 11 Jahre machten die Straße durch Kettenbildung dicht, als sie uns sahen. Fredrika und ich bremsten ab, Fredrika fuhr langsam zuerst durch und sie öffneten widerwillig im letzten Moment die Schlange, um in der nächsten Sekunde mit einer Hand meinen Lenker festzuhalten. Ich konnte mein Gleichgewicht nicht mehr halten und fiel um; nix passiert, aber irritierend. Die Jungs amüsierten sich.
Ab und an können die kleinen Jungs Dir auch spontan vermutlich böse Worte gepaart mit Steinen nachwerfen, sehr selten, aber erlebt.
Apropos Worte: Meistens schreien sie ihre Englischkenntnisse lauthals heraus: „Hello! What´s your name!“ Manchmal auch gleich das „Good by“ hinterher. Übrigens jedes Kind, das in Schreiweite ist. Du kommst so locker auf 20 mal “hello”- antworten – wenn du möchtest.
In einigen Regionen ist das laute Pfeifen zur Kontaktaufnahme beliebt – Winken oder Zurückpfeifen ist hier die mögliche Antwort. Fritz ist davon so genervt, dass er die Nichtreaktion wählt. “Ich bin doch kein Hund, nach dem man pfeift!”
Horden von Kindern, die nebenher rennen, bergen immer das Risiko, dass sie das Rad anfassen und festhalten – aus Spaß. An Steigungen – davon gab es einige – war ich teilweise langsamer als sie und sie amüsierten sich beim Nebenhergehen über mich – ich strafte sie mit Nichtachtung.
Ältere Jungs und Jungmänner hatten eher ihren Spaß daran, auf eigenen Rädern zu zeigen, was sie drauf hatten- und dicht neben oder vor uns zu radeln, was das Zeug hielt. Z.T. ganz beachtliche Leistungen, nur fehlte gelegentlich das Gefühl für die rechte Distanz zu unseren schwerfälligeren Transportern, sodass bei den hiesigen Straßenverhätnissen plötzliche Ausweichmanöver zu kritischen Situationen führen können. Patrik hat so einmal den Asphalt geküsst und dann noch deutlicher kommuniziert, was er von dieser Begleitung hält.
Ein überraschendes Erlebnis mit Jungmännern in Kirgistan: Emil, Fritz und Patrik mit ca. 500 m Abstand vorneweg. Ich alleine hinterher. Eine Gruppe von 4 jungen Männern stehen mit Rädern links am Straßenrand. Einer wechselt die Straßenseite. Als ich vorbei fahre, rufen sie mir ein paar Worte zu, dann höre ich einen dicken Stein zischen- nicht getroffen, aber ich bin ganz schön sauer. Beim späteren Nachfragen wird klar, dass die Jungs wohl beim Versuch einer Kontaktaufnahme durch Nebenherradeln bei den Herren sauber abgeblitzt sind. Emil hat kurz richtig Gas gegeben und die anderen haben mitgezogen.- Ich musste den Frust ausbaden. Vielleicht gab es aber auch einen ganz anderen Grund, wer weiß das schon so genau?
Niedlich und rührend bei einer Passabfahrt: Ein Geschwisterpaar, ca. 3 und 4 Jahre alt standen mehrere Minuten lang streng hintereinander stehend und den Arm ausstreckend auf der Straße, während wir die Serpentinen hinab und auf sie zurauschten. Natürlich klatschten wir sie gebührend ab und sie strahlten.
Begeistert winkende Kinder sind sehr angenehm und geben uns ein gutes Gefühl von Willkommensein. – Am liebsten vom Gartenzaun aus!
Unkritisch sind auch Eltern, die mit ihren Kindern an der Hand oder auf dem Arm winken. Manchmal kann man allerdings nicht zurückwinken, sondern nur rufen, weil beide Hände am Lenker gebraucht werden.

Hunde:
Freilaufende Hunde gibt es viele zwischen Ungarn und Kasachstan. Dabei haben wir mit herrenlosen Hunden in den meisten Ländern kaum unangenehme Erfahrungen gemacht. Vorsichtig und ängstlich reagieren sie auf näherkommende Radler eher ausweichend, selten bellen sie oder beginnen sie uns nachzujagen.
Richtige Hirtenhundde sollte man frühzeitig im Auge behalten, sie tun es auch. Normalerweise reagieren sie abwartend. Freundliches Winken zum Hirten und Zurückwinken wirkt für alle entspannend. Fredrika hatte allerdings auch schon einmal die Hilfe eines LKWs in Anspruch genommen, der ganz langsam fuhr, um einem Riesenhirtenhund von der anderen Straßenseite die Sicht zu versperren. Er verlor sofort das Interesse an ihr.
Einmal schnappten zwei ziemliche Riesenexemplare (wahrscheinlich Wachhunde) nach meinen Taschen- in Bulgarien. Sie dösten am Straßenrand vor ihrem Hofeingang und wir erschreckten sie- da taten sie ihren Job. Nix passiert, aber danach hatten wir für längere Zeit jeder einen dicken Stock am Rad befestigt. Das ein oder andere Mal setzte Fritz ihn ein, wobei ich das Gefühl hatte, der Stock machte sie nur ärgerlicher.- dennoch wirkte er letztendlich.
Herrenlose Hunde kennen fliegende Steine- und schon die ausholende Bewegung führt in der Regel zur Einsicht.

Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit folgenden Verhaltensweisen:
Nicht zu schnell vorbeifahren, sondern eher gemächlich und gleichmäßig.
Beruhigende Ansprache (“ja, ja, machst auch nur deinen Job…”), erst bei richtigem Knurren, Zähnefletschen und Insistieren Anschreien. Mit dem Fuß treten kann funktionieren, muss aber nicht.
Einem Radlerkollegen haben sie in die Packtasche ein Loch gebissen- es waren allerdings drei Hunde – im Rudel gelten andere Regeln- und Emil hatte hinterher große Lust auf gegrillten Hund!
Eine gänzlich andere Reaktionsweise- auch von vielen Radlern erprobt- sofort stoppen, mit dem Fuß aufstampfen und warten, bis der Hund irritiert oder gelangweilt abzieht. Ist nicht meine Wahl, aber es scheint zu funktionieren.
Ein paar Steine in der Lenkertasche oder ein griffbereiter Stock geben jedoch immer ein sicheres Gefühl, das Pfefferspray ist ebenfalls wohl mehr was fürs eigene Gefühl als für die akute Situation.
Je freier die Hunde sind, desto entspannter und gelassener reagieren sie im Allgemeinen auf uns- meistens desinteressiert. In Bulgarien und der Türkei gibts zwar viele Hunde, aber meistens herrenlose- sie werden in der Türkei häufig gefüttert, aber nicht ins Haus gelassen. Im Iran gelten sie als unrein und werden mehr verjagt. Häufig sehen sie ziemlich abgemagert aus und leben ihr eigenes hartes Leben auf der Straße.
Erst seit Kirgistan gibt es wieder mehr Haus- und Hofhunde mit dem bekannten aggressiveren Revierverhalten.

Zusammenfassend möchte ich betonen, dass wir mit beiden Phänomenen Kindern wie Hunden, vorwiegend positive oder neutrale Erlebnisse hatten – und wir mögen sie alle – mit ca. 50m Abstand am liebsten!

2 Kommentare

  1. Heiner und Maria sagt

    Liebe Karin, lieber Fritz,
    habe erst heute wieder eure Reise verfolgt. Auch wir waren im Urlaub, nur in Föhr. Für euch keine Entfernung. Euren Bericht über Kinder und Hunde habe ich gelesen und …….kann es verstehen. Also ich weiß, ihr mögt Kinder und Hunde!!!!!
    Alles Liebe für euch und weiter eine gute Reise wünschen euch Heiner und Maria.

  2. Krause, Astrid sagt

    Das mit den Hunden und Kindern ist so ne Sache. Ein mir gut bekannter Dr. fragte mich ach du, magst auch keine Hunde? Und meine Kinder dann auch nicht? Meine Antwort war , deine Kinder bellen doch nicht. So viel zu den Anekdoten.
    Gute Weiterreise Ihre Astrid Krause

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert