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Chile

Nun sind wir schon seit 10 Tagen in Chile! Sorry, dass wir uns erst jetzt melden, aber wir hatten in Arica noch keine Lust und später keine Puste bzw. kein Internet mehr, um zu schreiben.
Nun also kurzgefasst: Die Busfahrt von Puno runter nach Tacna verlief unproblematisch. Wir wurden noch in unserer Entscheidung, den Bus zu nehmen, bestärkt, als wir bei beginnendem Gewitter den Busbahnhof erreichten! Etwas nervig war das Einladen der Räder; da fehlt uns noch die Gelassenheit, dass alles schon klappen wird, wenn sich Dutzende Menschen mit riesigen Säcken und Koffern um uns drängeln und der Stauraum langsam voller wird. Letzten Endes wurden die Räder zum Schluss noch irgendwie reingehebelt und kamen am nächsten Morgen sogar ohne gröbere Blessuren wieder raus. Und schwupps waren wir in der Wüste! Kaum zu glauben, ging es 60 km abwärts Richtung Küste. Die Grenze war ziemlich unkompliziert, nachdem wir unser Formular zur Ausreise/Einreise mit einem Fahrzeug ergattern konnten. Ja, auch ein Fahrrad ist ein Fahrzeug! Gottseidank gab es eine hilfreiche und freundliche Grenzerin, die mir einfach ein Formular zusteckte, nachdem ich schon ganz verzweifelt war, denn der Ort, wo man denn „ganz einfach“ das Papier bekommen würde, blieb für mich unauffindbar. Aber so wurde alles gut. Wir hatten unsere Eigentumsnachweise für die Räder dabei und bekamen unsere Zettel, mit denen wir die Räder auch wieder aus dem Land bringen dürfen.
Wir hatten uns auf den Märkten in den Bergen schon immer gefragt, woher die ganzen eingelegten Oliven kommen – nun wissen wir es. Riesige Olivenplantagen mitten in der Wüste!


In Arica gönnten wir uns einen Tag zum Akklimatisieren im wunderbaren Hostel „Sunny Days“ mit Frühstück, Dachterrasse, neuseeländischem Besitzer und vielen Backpackern. Abends hörten wir die Demo, blieben allerdings brav zuhause. Morgens gab es dann einige abgefackelten Autoreifen und Steine mehr auf den Straßen, sonst war – auch atmosphärisch- nichts zu merken. In der Riesen-Mall waren die Geschäfte alle auf. Mit großen Augen liefen wir rum – gepflegter Konsum hat ja schon was! Und 100 m daneben die Hütten der Leute, die nie in die Mall gehen können.
In dieser Gegend lebten in vorkolumbianischer Zeit die Chinchorros, die eine einzigartige Mumienkultur hatten. Sehr aufwändig präparierten sie ihre Toten, sogar Kinder und Fehlgeburten – übrigens lange vor den Ägyptern. Manche vermuten, dass der hohe Arsengehalt im Wasser den Tod vieler Kinder verursachte. Im Chinchorro- Museum fanden wir Erläuterungen allgemeiner Lebensweise und Todesursachen, allerdings keine Hinweise auf besonders hohe Kindersterblichkeit.


Von nun an wurde es einsam und leer um uns. Der Auto- und Fernverkehr ist hier eher angenehm, die Straße gut bis sehr gut, die Steigungen moderat. Die Infrastruktur, sprich Nahrungs- und Wasserversorgung ist etwas dünne. Wir planen wieder etwas intensiver, schleppen mehr Wasser mit und zelten an mehr oder weniger idyllischen Stellen. Geprägt ist dieser Teil Nordchiles durch die Salpetervorkommen, die Anfang des 19. Jahrhunderts in der Atacamawüste entdeckt und abgebaut wurden. Zu der Zeit gehörte das Land bis nach Antofagasto noch Bolivien bzw. Peru. 1879 -1884 verleibte sich Chile im Salpeterkrieg alles ein und nahm Bolivien nicht nur die wirtschaftlichen Ressourcen, sondern auch den Zugang zur Pazifikküste.
Bis Anfang der Dreißiger boomte Chile und die Wüste lebte, denn der Salpeterabbau ließ Wüstenstädte rings um die Anlagen entstehen. Dann kam der Niedergang mit der chemischen Herstellung von Salpeter. Jetzt kann man Geisterstädte, runtergekommene Hafenanlagen, aber auch – wie in Iquique- schön restaurierte Gebäude und Anlagen aus besseren Zeiten sehen.


In Pozo Almond mussten wir uns entscheiden, ob weiter Wüste oder an die Küste. Letztlich entschieden wir uns für die Küste, da die Wind-App meinte, der Gegenwind sei geringer. (Haha). Dort murmelte morgens beim Aufrödeln der Räder im Vorbeigehen ein junger Typ „Mahlzeit“. Das war Norman, der mit seiner Vespa unterwegs ist! Wer Lust hat, googelt unter „Norman Glücksritter Vespa“.

Nun genießen wir also die fantastische, gigantische Küstenstrecke! Um ein paar Stunden mit weniger Gegenwind zu fahren, starten wir morgens um 7.00 Uhr in der frühen Morgensonne. Zuhause steht Ihr ja jetzt auch im Dunkeln auf, also will ich mich nicht beklagen.
Uns haben die verkohlten Reifenreste (Straßenblockaden) selbst hier bei kleinsten Küstensiedlungen gewundert. Bis wir recherchierten: Chile hat 2012 ein Fischerei-Gesetz erlassen, und tausende km Küste an 7 Reedereifamilien verpachtet- lebenslang und vererbbar. Damit sind für die traditionellen Fischer nur noch 1,5 km Küstengewässer befischbar. Ähnliches passierte wohl mit den Algensammlern. In Chile werden traditionell verschiedene Algen als Grundnahrungsmittel und Exportartikel gesammelt bzw. in Anlagen gezüchtet. Auch hier werden oder wurden Konzessionen vergeben, die Großindustrie fördert und den Kleinen gar nichts lässt. Kein Wunder, wenn die Leute auf die Straße gehen!
Wusstet Ihr, dass Chile der zweitgrößte Lachsexporteur weltweit ist? Mit gigantischen Umweltproblemen? Bitte mal kurz überlegen, ob es zu Weihnachten chilenischer Lachs sein muss.
Kurz hinter Iquique trafen wir nicht nur auf ein Denkmal für einen verunglückten Radfahrer, sondern zufällig auch den Erbauer! Ein Motorradfahrer sprach uns auf der Straße an. Er habe 20 Jahre eine MTB-Adventure-Agentur gehabt (Civetadventure). Vor drei Jahren sei sein Freund verunglückt und er habe ihm das Denkmal geschmiedet, da er auch eine Werkstatt habe. Helm und Rad habe er in dem Hohlkörper der Skulptur eingeschlossen und versiegelt. Berührend.
Wir haben übrigens noch nie so viele vollgekackte Felsen gesehen wie hier! Manche sehen aus wie Sahnehäubchen, aber seid gewiss: Mövenkacke stinkt ganz gewaltig!


Nun sind wir in Tocopilla, füllen die Vorräte auf und planen weiter.
Hier war Fritz‘ Vater und deshalb gibt’s dazu noch einen Extrabericht!

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