Nordtour 2022, Schweden, Tagebuch
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Südschweden: potteben???

Immer mal wieder hört man von nicht-Radfahrern, ganz Südschweden sei total flaches Land. Dem ist nicht so – wir erleben das anders: Wir fahren meistenteils durch eine Endmoränenlandschaft mit  Seen, viel Geröll und reichlich Hügeln, die häufig 5% Steigung haben, gerne auch 8%, einmal 14%, besonders auf den Nebenstraßen, den „weißen“. Zwischendurch sieht man auch gewachsenen Fels. Mit 35 kg Gepäck am Rad nicht nur vergnüglich!

Mich erinnert das an einen Farmer in Tennessee. Als wir aus den Appalachen kamen, sagte er, ab hier beginne der Mittlere Westen und der sei „tableflat“ und machte dabei so eine Handbewegung, als ob man ein Tischtuch glattstreicht. Auf das „tableflat“ haben wir bis zu der Rockies vergeblich gewartet und gehofft. Ähnlich ist es übrigens mit Entfernungsangaben: der Weg sei höchstens eine halbe Stunde …. Jaaaa, mit dem Auto! Trau in diesem Punkt keinem Nicht-Radfahrer! (Fritz)

Die ersten Tage alleine unterwegs. Worüber soll ich schreiben? Die Landschaft, das Fahren, das Zelten, das Wetter, die Rückmeldungen des Körpers? Wer Hardfacts mag, findet sie auf der Statistikseite, die Route aktualisieren wir ebenfalls.

Nun ja, ich fang mal an. Der Start bei unsrer Nichte war ein sehr schöner und entspannter Empfang-lieben Dank Malena!! Dann ging´s richtig los. Trockenes Wetter, offene endmöränige Landschaft mit Landwirtschaft und vielen Pferden.

Abends auf dem Zeltplatz- solange welche da sind, nutzen wir sie gern (warme Dusche, hier sogar meist ein Küchenhaus, manchmal auch Aufenthaltsraum) die ersten Spagetti mit Tomatensauce. Die geriet etwas dünnflüssig, weil ich natürlich beim Anrühren vergessen habe, dass ich ja nix zum Abbinden habe; na ja, die nächste wird anders. Das Essen schmeckt trotzdem und wir genießen den Wein von Detlef!

Nachts wird’s recht kalt, bis 2°C und so windig, dass unsere Räder umfallen und nur knapp das Zelt verfehlen. Also in Zukunft Abstand halten.

Die nächsten Tage sind abwechslungsreich bzgl. Wind und Wetter- mal gymnastikintensiv (5x Regensachen aus- und anziehen), mal entspannt bei gutem Rückenwind und Schwedensommeridyllen, mal zum Abkotzen anstrengend, weil untrainiert und die kurzen Hügel immer grad ein Stück zu lang sind, um mit Schwung hochzukommen. Grundsätzlich ist der Verkehr eher entspannt.

Wenn wir auf kleineren Straßen fahren ist oft längere Zeit kein Zivilisationsgeräusch zu hören. So lieben wir das. Auf den größeren Landstraßen lässt es sich auch ganz super fahren, oft gibt es breite Radwege, von denen wir in Deutschland nur träumen können. Die Nationalstraßen, die wir bisher gefahren sind, oft dreispurig, alle paar Kilometer wechselt die doppelte Spur, mit fester Abgrenzung an beiden Seiten, sind etwas stressiger, weil der Seitenrand manchmal nur ca. 30 cm breit ist. Da halten wir dann schon mal an, wenn ein dicker Brummi sich von hinten ranschiebt. Im Allgemeinen fahren alle sehr rücksichtsvoll und gelassen. Stellt Euch vor, manchmal fahren die Autos auch bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 kmh freiwillig noch langsamer!! Nur am Pfingstmontagabend, auch noch Nationalfeiertag, war jede Menge Testosteron auf der Straße unterwegs. Jemand erklärte uns, dass die Schulabgänger*innen feiern würden. Und so war es auch. Die Strandparty fand dann nachts ihr vorzeitiges Ende durch einen heftigen Regenschauer.

Nach Lönneberga mussten wir natürlich unbedingt. Und wir pausierten neben dem Michel Denkmal. Michel heißt eigentlich Emil. In Vimerby verzichteten wir auf den Besuch des Astrid Lindgren Erlebnisparks. Manche Sachen macht man dann doch nur mit Kindern.

Noch ein Wort zu den körperlichen Gebrechen als Senior*in. Fritz jammert nur ab und zu über den steifen Rücken, besonders morgens beim aus dem Zelt krabbeln. Sonst geht es ihm gut. Mir fällt das lange Sitzen auf dem Sattel mal wieder schwer. Es ist schon erstaunlich, welche verschiedenen Stellen es so gibt, die sich bemerkbar machen können. Mein schwaches Knie mit dem künstlichen Gelenk unterstütze ich derzeit noch mit einer Orthese. Damit geht’s ganz gut, allerdings ist der Muskel- und vor allem Bänderaufbau natürlich erschwert. Ich werde jetzt umsteigen auf zeitweise Ummantelung des Knies. Demnächst geht es los mit den längeren Steigungen.

Im Nirgendwo eine Dorfkirche mit der lückenlosen Liste aller Pfarrer seit 1341! Spenden kann man jetzt aber per „swich“, einem smartphonebasierten schwedischen Bezahlungsdienst. – Die gute Tat des Tages: Einen aktuell flugunfähigen Grünspecht von der Straße geholt. Hoffentlich hat er sich berappelt! Überhaupt gibt es so einiges Getier …

… und Gepflanz.

In Motala haben wir den ersten Pausentag. Bei durchwachsenem Wetter können wir unsere Wäsche in Waschmaschine und Trockner auf Vordermann bringen- ein glücklicher Tag! Am Wochenende findet hier ein großes Radrennen statt. 100 km Frauen- und 150 km gemischtes Rennen um den See.

8 Kommentare

  1. Ich rolle mit meinem Bürostuhl ganz gut durch das topfebene Büro… – und lese gerne mit. Am Samstag geht es für eine Woche nach Süddeutschland :-) – also Faulenzerferien auf Gran Canaria sind angesagt. Mal so richtig Pauschaltourist spielen… Mal schauen, wie mir das bekommt… Mann wird älter und weiss den Komfort eines Bungalows zu geniessen im sonnigen Süden …
    Sonnige Grüsse
    Kirtap

    • Karin sagt

      Wir haben vollstes Verständnis. Haben uns heute in Röros ein Hotel geleistet, da es morgen an unserem sightseeing-tag den ganzen Tag regnen soll. Wünschen Dir eine genussvolle Woche. LG aus dem feuchtfrischen Norwegen

  2. Johann Yzer sagt

    Hej,

    über den Inlandvägen wäre es sicherlich etwas einfacher. Mir scheint aber, dass Ihr auf dem Weg zu Fredrika nach Sundsvall seid. Von Fredrika erfährt man ja gar nichts mehr, seitdem sie von ihrer Weltumrundung in 1000 Tagen zurück in Schweden ist.
    Wenn ich mich recht erinnere, so seid Ihr Fredrika in China und an der Grenze zu Tadjikistan auf Eurer Asienreise begegnet. Und Fritz hat sie an der Grenze zu Tadjikistan aus einer misslichen Lage gerettet. Fredrika schreibt in ihrem Buch etwas über einen Teller, den Fritz dabei benutzt hat. Wie auch immer, habt eine gute Reise und kommt gut voran. Ums auf Schwedisch zu schreiben: alltid medvind
    Wir müssen noch fast zwei Wochen bis zu unserem Schwedenurlaub warten.

    Schöne Grüße aus Wolfsburg
    Johann Yzer

  3. Johann Yzer sagt

    Hej,
    mir scheint, dass Ihr auf dem Weg Richtung Sundsvall seid, um Fredrika zu treffen. Fredrikas Buch und die Begegnungen mit Euch auf der Asien-Tour haben mich fasziniert. Sie hat die Erde in 1000 Tagen mit dem Fahrrad umrundet und hat Euch u.a. in China und in Tadjisistan getroffen, wo Fritz sie aus einer misslichen Lage befreit hat. Wie war denn das mit dem Teller?

    Liebe Grüße an Fredrika und natürlich auch an Euch.
    Habt eine tolle Reise. Wir müssen noch zwei Wochen warten bis zu unserem Urlaub in Schweden

    Johann aus Wolfsburg

    • Karin sagt

      Hej, wir sind nicht auf dem Weg zu Fredrika, denn wir haben leider keinen Kontakt mehr gefunden. Vielleicht fahren wir auf dem Rückweg doch über Schweden zurück und dann liegt es auf dem Weg. Die Sache mit dem Teller kannst du auf unserem Blog nachlesen. Unsere Richtung ist derzeit zum Fermundsee und dann Trondheim. Viele Grüße

  4. Rolf und Gudrun sagt

    Hallo Karin, sie schreiben lustig. Wir haben es ähnlich empfunden. Südschweden ist unerwartet hügelig.
    Gruß ihre Nachbarn aus dem Womo in Motala

  5. Janssen Johannes sagt

    Nur Ostfriesland ist völlig platt.Wi Proten ok platt!? Schöne Grüße aus Ostfriesland und gute Weiterfahrt! Johannes

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