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Nord-Ost-Runde

Von Rostock nach Stralsund haben wir die Möglichkeiten des ÖPNV getestet. Unser Date in Stralsund war anders nicht zu schaffen- auch gut. Die Altstadt von Stralsund war bestens auf uns vorbereitet. Strahlender Sonnenschein, vormittags waren die Touris noch beim Frühstücken und wir hatten ausreichend Gelegenheit, das Rathaus und andere gotische Barockhäuser zu bestaunen. Was mir so durch den Kopf ging: Diese Machtdemonstration, wie viel Arbeit wurde durch diese Riesenbaustellen geschaffen, wie viele Menschenleben sie wohl gekostet haben, wieviel Fronarbeit war dabei; gibt es auch Kulturen, die ohne diese manifestierten Machtansprüche auskommen?

Mittags ging´s weiter auf dem Radweg „Mecklenburger Seen-Rügen“. Eine wunderbare alte Bahntrasse, schnurgerade unter Bäumen, meistens supergut zu fahren, manchmal grauenhafte Wurzelaufbrüche, die ohne Vollbremsung Gefahr für Leib und Rad darstellen. Wann werden wir endlich von andern Kulturen den Fahrradwegeunterbau lernen???

Unterwegs nach Berlin ändert sich die Landschaft, aber immer bleibt sie mehr oder weniger endmoränig, landwirtschaftlich geprägt, alleenreich, erholsam. Auch Planwagenfahrten werden anscheinend gut angenommen.

(Fritz:) Im der Mitte Mecklenburgs liegt die Kleinstadt Gnoien. Da habe ich als 7-jähriger kurz vor dem Mauerbau mal ein Jahr bei den Großeltern gelebt, bin zur Schule gegangen (Handarbeiten eine Eins!), war Jungpionier mit blauem Halstuch. Das Haus der Großeltern hat ein damals bekannter Architekt in den 20ern erbaut. Der jetzige Besitzer hat das sehr liebevoll im Originalzustand erhalten.

Mein Großonkel hatte direkt am Kirchplatz die Tischlerei des Ortes. Eines der Hauptprodukte waren Särge, die in einer Scheune nebenan gestapelt wurden. Mein Bruder und ich bekamen blaue Tischlerschürzen und wurden in Holzarbeiten angelernt. Die Liebe zu Holz hat sich bei mir erhalten. Meine Uroma saß immer strickend an einem Fenster im Obergeschoss und überblickte den Kirchplatz mit einem Winkelspiegel. Heute ist das ein Wohnhaus mit sieben Wohnungen, von denen aber vier leer stehen.

Die kleine „Brücke Steg“ führt über die Warbel. Meine Cousinen aus Leverkusen haben die Stelle „Entenhallenbad“ genannt; der Begriff eines Freibades war 1960 im Ruhrgebiet unbekannt. An das Haus Willi Krüger erinnere ich mich; das war der örtliche Zigarrenladen und Krüger war ein Freund meines Opas. „Meating“ ist seit etwa 200 Jahren der Bekleidungsladen; 1960 war der Inhaber Carl Meating, eine lokale Größe. Zumindest der Name hat offenbar überlebt. Das Gebäude mit den Jahrmarktsbuden davor beherbergt heute eine Schaustellerfamilie. Mindestens seit den 20ern bis 1960 hieß das großspurig „Haus Waderstraat“, weil es auch an dem Rinnsal Warbel lag, und diente als Tanzsaal, Theater, Kino und Versammlungssaal.

Familienbesitz war auch noch das „Torfmoor“ etwas außerhalb. Der Opa hatte da Reusen drin. Gelegentlich zog die ganze Belegschaft der Tischlerei mit Handwagen dorthin und hat abgefischt. Die Beute wurde verteilt. Dann gab’s am Sonntag Karpfen und wir Kinder bekamen ein Schnapsglas voll Weißwein.

Tribsees, kleine Altstadt mit einem Café, sonst nix mehr. Am ehemaligen Bahnhof auf einem kleinen Campingplatz übernachtet. Die Nacht war etwas bewegt, zumindest für mich, Karin, da ich mich festkrallen musste, um nicht wegzurollen. Beim nächsten Campingplatz haben wir dann erstmal die Rollprobe gemacht, bevor wir das Zelt aufbauten.

Den Müritzsee entlanggeradelt, ohne ihn einmal zu sehen. Die Strecke war schön, durch den Wald, touristische Infrastruktur vorhanden, Superwetter. Unser Ziel war Mirow, Bootshausbesuch mit einem Tag Pause. Erzählen, auf dem See rumschippern lassen, in den Kanal springen- Urlaub!

Die Nord-West-Uckermark steht nicht ganz oben auf der Touristenhitliste und Christianenhof ist auch nicht der Hotspot der Uckermark, aber für mich ein wichtiges Stück Herkunftsgeschichte. Wie schön, dass es dort immer noch Familienmitglieder gibt, noch dazu mit einem wunderbaren Landschaftsgarten. Sie machen seit Jahren bei den offenen Gärten mit. Die Zufahrtswege sind historisch- man kann sich entscheiden: alter Plattenweg oder „Stuckerdamm“.  Vielleicht wird es einmal zu einer Künstlerkolonie. Ein Bildhauer ist schon seit Jahren da.

Für uns geht es nach einem weiteren Familienbesuch Richtung Berlin.

3 Kommentare

  1. Rainer Lademann sagt

    Fritz, Deine Wurzeln sind ja nicht nur rund um Rostock, sondern wohl eher MkPom insgesamt. Tolle Beschreibung Deiner Erinnerungen, und zum Glück blieb der Ausflug zu den jungen Pionieren ja nur eine Ausnahme…

  2. Schiffers sagt

    was für eine schöne Reise…. und über die Familiengeschichte möchten wir dann bei Gelegenheit noch mehr hören. Was für schöne Gegenden uns doch hierzuland umgeben und wir z.B. machen so wenig Gebrauch davon…..

    Viele Grüsse und noch glückliche Tage

    Reingard und Peter

  3. Dietrich Brettschneider sagt

    Hallo Karin + Fritz, die Gedanken hinsichtlich Machtdemonstration und Opfer auf den Baustellen gehen mir bei jedem Sakralbau ( in unseren Breiten hauptsächlich Kirchen)
    durch den Kopf. Die Rathäuser hatten ja noch irgendwie einen Sinn. Der erschließt sich
    mir bei den Gotteshäusern aber überhaupt nicht.
    Viel Spaß weiterhin auf Eurer Deutschlandtour
    Dietrich

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